Das Interview wurde am 2. September 2011 geführt.
Arno Meyer: Heute möchten wir über die von dir gestaltete Fassade im Brunnenweg sprechen. Wie kam es zu diesem Projekt?
Hans Schwebach: Der fensterlosen Fassade begegne ich jeden Tag. Ich sehe sie, wenn ich aus dem Büro schaue; Ich sehe sie, wenn ich aus dem Wohnzimmer schaue, oder wenn ich mit dem Auto in den Brunnenweg fahre. Der Wunsch, diesen Giebel so zu gestalten, dass er mir wieder gefällt und zu unserem Malerbetrieb passt, ist schon seit einigen Jahren in mir gewachsen.
Arno Meyer: Und wie kam es, dass dieses Projekt nun in Angriff genommen wurde?
Hans Schwebach: Nun, das Haus gehört ja nicht uns, aber der Giebel markiert quasi unseren Hof. Ich habe einfach den Hauseigentümer irgendwann gefragt, ob ich diese Seite der Fassade gestalten dürfte.
Der Hauseigentümer wollte auch die Risssanierung bezahlen, aber ich erklärte, dass ich diese Arbeit gerne vollkommen kostenlos machen würde. Das war natürlich für den Eigentümer ein erstaunliches Angebot. Uns gehört zwar nicht das Haus, aber uns gehört jetzt quasi der Blick auf den Hof. Ich denke aber mal, dass der Eigentümer mit dem Ergebnis auch sehr zufrieden ist.
Ansonsten hatte ich bei der Umsetzung aber Narrenfreiheit.
Arno Meyer: Aber sicherlich haben dir auch einige Mitarbeiter in der Firma geholfen, immerhin kannst du im Dezember schon deinen 75. Geburtstag feiern.
Hans Schwebach: Nein, dass mir jemand hilft, konnte ich nicht zulassen. Die Ideen zur Umsetzung sind langsam während der Arbeit in mir gereift. Es gab keinen fertigen Plan und so konnte auch niemand mithelfen. Es gab aber einen ständigen Dialog mit meinem Sohn Heiner, der sehr fruchtbar war. Oft entwickeln sich Ideen am Abend oder am Morgen, die ich mir dann schnell aufschreibe.
Ein Beispiel sind die Fenster. Ursprünglich wollte ich nur ein Fenster malen, nun sind aber doch vier Fenster entstanden. Die Schwierigkeiten bestanden hier darin, dass die Giebelspitze nicht mittig ist.
Arno Meyer: Vielleicht können wir noch ein paar weitere Details und technische Schwierigkeiten beleuchten, die es bei der Umsetzung doch sicher gab?
Hans Schwebach: Insgesamt war ich doch vier Wochen mit dieser Wand beschäftigt. Zwischendurch hatte ich aber auch einige Pausen, denn nicht immer spielte das Wetter mit.
Nach dem Gerüstaufbau war ich am Am Anfang alleine gut anderthalb Tage mit der Risssanierung beschäftigt. Ich wollte die Struktur weitestgehend erhalten und habe daher keine Spachtelung gemacht. Um eine hohe Plastizität zu erreichen, kommt es besonders auf die sorgfältige Linienführung an. Ich habe für die gesamte Fläche silikatisch, mineralische Farben verwendet. Die gemalten Steine brauchten 3-4 Lasurgänge.
Die Hauptschwierigkeit bestand aber darin, eine maximale Plastizität zu erreichen. Das heißt, die Licht- und Schattenlinien so zu gestalten, dass die optische Täuschung einer räumlichen Struktur am besten wirkt. Das heißt in der Praxis immer wieder rauf und runter vom Gerüst, um die Wand aus den verschiedenen Perspektiven zu besichtigen. Besonders die Fenster öffnen den Giebel geradezu. Daher war es wichtig, die Luftspiegelung in den Fenstern nicht zu homogen zu gestalten. Der Farbverlauf ist zwar kaum zu bemerken, aber verschiedene Nuancen von Hellblau wurden hier aufgetragen.
Für die hohe Plastizität war es auch wichtig, die Bordüre durch das Fenster zu unterbrechen. Die Bordüren mit Schablonierung und Motiv-Linierung habe ich übrigens noch mit einem schützenden Klarlack überzogen.
Arno Meyer: Der untere Bereich sollte aber offensichtlich im Kontrast zum oberen Bereich stehen. Was waren hier deine Ideen?
Hans Schwebach: Ja richtig. Im unteren Drittel wollte ich einen moderneren Stil und intensivere Farben anwenden. Zunächst habe ich mich ganz bewusst gegen einen klassischen Sockel entschieden. Der Verlauf sollte hier organischer sein. So kam ich auch auf die Idee der ausgetretenen Treppe in einem Grauton. So konnte ich auch das Gefälle des Weges gut ausnutzen.
Grundsätzlich wollte ich das Thema „Reise“ und die Höhen und Tiefen des Lebens im unteren Bereich andeuten. Wenn man so alleine und geduldig an einer Wand malt, kommen unweigerlich viele Gedanken an meine Reisen und Wanderungen in mir hoch. Die geschwungenen weißen Linien beschreiben so das „Auf und Ab“ im Leben. Ganz am Anfang steht eine unterbrochene Linie. Für mich ist das mein Pilgerstab. Auch die Farben sind Farben des Südens.
Wenn man genau hinschaut, kann man auch erkennen, dass an einer stelle „Weg“ steht. Es war mir aber auch wichtig, diesen unteren Bereich richtig in das dargestellte Mauerwerk des oberen Bereiches einzufassen. So geht das versetzte Quadermauerwerk an beiden Seiten bis zum Boden.
Arno Meyer: Wenn man genau schaut, erkennt man auch einen Vogel auf einem Fenstersims. Hat der Vogel auch eine Bedeutung?
Hans Schwebach: Ja, das ist eine ganz merkwürdige Geschichte. Der Vogel – eine Kohlmeise – saß ganz ruhig auf dem Gerüst. Ich dachte zuerst, er wäre nicht mehr am Leben, erkannte dann aber, dass das nicht der Fall war. Ich konnte den Vogel in die Hand nehmen und er versuchte nicht weg-zufliegen. Ich dachte mir, dass die Meise vielleicht entkräftet sei und versuchte sie zu füttern. Das war aber vergeblich. Dann habe ich sie hochgeworfen und sie flog wieder in einem Bogen auf mich zu und landete auf meiner Brust. Nach einer Weile probierte ich es wieder und dann flog die Meise auch weg. Da dachte ich mir, dass der kleine Vogel nun auch einen Platz auf dem Bild bekommen sollte.
Arno Meyer: Apropos Bild – Du malst ja auch Aquarell- und Ölbilder. Würdest du sagen, dass das Malen eines Bildes mit der Gestaltung einer Fassade vergleichbar ist, oder unterscheiden sich die beiden Tätigkeiten doch grundlegender?
Hans Schwebach: Nein, das macht für mich keinen großen Unterschied. Beim Bild hat man immer alles auf einen Blick – auch beim Malen. Der Fassade begegne ich aber jeden Tag und aus allen Perspektiven. Ich schaue mir den Giebel an wie eines meiner Bilder. Nur sehe ich den Giebel viel häufiger.
Arno Meyer: Gab es denn schon Feedback zu der Neugestaltung des Giebels?
Hans Schwebach: Oh ja! Während der Arbeiten kamen schon viele Nachbarn und auch neugierige Besucher, um sich über dieses Projekt zu erkundigen. Ganz besonders freut mich aber auch das positive Feedback von meinem Malerstammtisch.
Arno Meyer: Lieber Hans, ich bedanke mich ganz herzlich für dieses Gespräch.